Jenseits der Internet-Euphorie: Sozialverträgliche Telefonnetzwerke

Interface 3
Katalogbeitrag von Roland Alton-Scheidl


Jenseits der Internet-Euphorie: Sozialverträgliche Telefonnetzwerke

Titel engl: Beyond the Internet Hype: Sustainable Audiotex Networks

Eine stets wiederkehrende Kritik an der schönen neuen Welt der interaktiven Medien betrifft ihre Exklusivität: Erst wenige Teile der Bevölkerung haben Zugang zum Internet, können an der neuen Flut der Texte und Bilder teilnehmen und noch weniger Menschen haben Zugang zu den Produktionsmitteln, um die neuen Räume aktiv mitzugestalten. Der mediale Hype, der Rausch an der Geschwindigkeit auf der Datenbahn macht auch blind: Tatsächlich sind neue Formen der Interaktion und Mitbestimmung in den neuen Telekommunikationsmedien zwar eingebaut - die Vision einer sozialen Moderne eines universalen Diskursraumes wird aber bloß für eine Informationselite Wirklichkeit. Der Preis ist ein neues soziale Gefälle: Artikulationsschwache Gruppen bleiben am Rand der Datenbahn sitzen, ja in dem vorherrschenden Klima der Selbstdarstellung im Netz finden sich nicht einmal mehr Vertreter der Interessen artikulationsschwacher Gruppen, wie dies für andere Medien zu derem guten Ton, ja in Form von Kolumnen zu derem täglichen Geschäft gehört.

Wie können wir diesem neuen sozialen Ausschluß begegnen? Nicht nur immer mehr Büros, sondern auch private Haushalte erhalten zum obligaten PC ein Modem dazu. Es ist zu erwarten, daß die Auffahrten auf die Datenbahnen preiswerter und ihre Nutzer zahlreicher werden. Professionelle Vermarktung etwa als "Internet in a Box" (Handbuch mit Diskette und Zugangsberechtigung) ist sicherlich ein Weg, die Zugangsbarrieren zu senken.

Ein anderer Ansatz besteht darin, die technologische Schwelle radikal zu vereinfachen, sodaß mit einfachsten Mitteln eine strukturierte Vernetzung etwa per Telefon möglich wird. Zu diesen Technologien zählen Audiotexsysteme, die mit jedem Telefon benützbar sind und ähnliche Funktionen wie das Internet besitzen: private Mailbox als Voice Mail, Diskussionsbereiche oder Abfragen von Informationen, steuerbar über die Telefontasten oder per Stimme.

Im folgenden möchte ich kontextuelle Rahmen umreissen, die für die Ausgestaltung und Verbreitung einer neuen Technologie wie den Audiotexdiensten maßgeblich sein könnten. Später werden die Besonderheiten und Einsatzmöglichkeiten von Audiotex beschrieben und Erfahrungen, die ich in einem Feldversuch gesammelt habe, dargestellt.

Kulturelle Kontexte bei Telekommunikationsmedien

Die Nutzung neuer Medien hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die Fachleute nennen sie Diffusionsfaktoren. Dazu zählen nicht nur Verfügbarkeit, Benutzerfreundlichkeit, Angebotsvielfalt oder Einrichtungs- und Nutzungskosten, sondern auch kulturelle Kontexte, in denen die Technologien eingebettet werden. Ich möchte diese anhand einiger Beispiele erläutern, um dann auf die Wichtigkeit des context-making hinzugelangen, wenn es darum geht, etwa telefonbasierte "community networks" einzurichten.

Beispiel 1: Das Telefon in seinen Anfängen. Die erste Anwendung des Telefons war es nicht, bidirektionale Verbindungen herzustellen, sondern Opern zu übertragen. Um die Jahrhundertwende gab es etwa in Paris Salons, wo man einen Telefonhörer mieten konnte, um einer Live - Übertragung aus der Oper beizuwohnen. In diesen Salons bekam man nicht nur Drinks serviert, sondern traf vor allem auch gleichgesinnte aus dem eigenen Bezirk.

Das erste Telefon der österr.-ungarischen Monarchie wurde auf der Toilette des Kaisers montiert, damit er von dort im Ernstfall Hilfe herbeiholen konnte. Alsdann hielt das Telefon Einzug in die Werkshallen, damit der Schichtführer die Anweisungen vom Planungsbüro rascher entgegennehmen konnte. Die Zweiwegkommunikation wurde erst später und vor allem deswegen eingeführt, damit der Vorgesetzte sicher sein konnte, daß der Befehlsempfänger die Nachricht richtig verstanden hatte. Werner Rammert hat ja sehr schön gezeigt, wie in unterschiedlichen Ländern also etwa in der englischen und der amerikanischen Geschäftskultur das Telefon unterschiedlich Verbreitung fand und daß vor allem nicht-technische Faktoren die Diffusionsgeschwindigkeit bestimmt haben. Die Anpassungsfähigkeit an eine neue Gesprächskultur, nämlich über das Telefon zu verhandeln, war der entscheidende Faktor für die Verbreitung des Telefons in der Geschäftswelt. Das gelang den Amerikanern wesentlich rascher als den Engländern.

Die private Nutzung des Telefons veränderte sich von der bloßen Übermittlung wichtiger Nachrichten hin zu einer heute vollkommen unbefangenen Verwendung des Mediums für die Alltagsunterhaltung mit Freunden, Bekannten und Verwandten, zu denen man Kontakt halten möchte. Wir sehen also, daß die Nutzung des Telefons eine reiche Geschichte und viele Facetten aufweist. Möglicherweise sind noch lange nicht alle Nutzungsformen ausgereizt; eine kleine technische Innovation kann in einem entsprechenden kulturellen Kontext völlig neue Verwendungsweisen hervorbringen. Hierzu ein weiteres Beispiel.

Beispiel 2: Jugendliche in Stockholm 1982. An einem Samstagnachmittag versammeln sich hunderte Burschen und Mädchen an einer U-Bahnstation, scheinbar ohne Ziel und Zweck. Der Polizei war das unheimlich und löste die Versammlung auf. Was war geschehen? Ein Fehler in einem Wählamt hatte sich schnell herumgesprochen. Wenn man eine bestimmte Nummer wählte, konnte man mit allen Personen sprechen, die dieselbe Nummer gewählt hatten. Da wollten sich eben alle einmal treffen und die Anrufer haben diesen Treffpunkt vereinbart. Der Fehler im Amt wurde rasch behoben, und die Stadtverwaltung gestand den Jugendlichen Telefontreffpunkte zu, doch die waren nur für höchstens fünf Leute anwählbar und somit uninteressant. Die Jugendlichen hatten sich eine Technologie angeeignet und das Telefon in einen ganz anderen Kontext gestellt.

Beispiel 3: Der Data-Highway. Die Datenbahn ist ein schönes Beispiel für den mühsamen Versuch, Kontexte für eine vorhandene Technologie erst herzustellen. Die Megabitverbindungen via Glasfaser sind da und die Telekommunikationsindustrie ist verzweifelt auf der Suche nach Anwendungen. Nachdem Feldversuche gezeigt haben, daß "video-on-demand" kein wirkliches Konsumentenbedürfnis ist, müssen Schlagworte wie "distance education" und "teleworking" für die Vision der neu erlangten Freiheit auf der Datenbahn herhalten. Mit "distance education" schmücken sich immer mehr Ausbildungsstätten, doch der Lernerfolg ohne soziales Lernen zusammen mit Menschen bleibt fraglich. Mit "teleworking" schmückt sich so mancher Computerkonzern doch kann die Idylle einer Verbindung der Arbeits- und Wohnstätte den heutigen Anforderungen in Beruf und Erziehung eigentlich nicht gerecht werden. Telearbeiter sind zumeist "high-abstraction workers" und das ist z.B. mit Kinderaufpassen eigentlich unvereinbar. Daher geht es bei der Telearbeit auch nicht um eine technische Innovation, sondern um eine soziale, nämlich wie die verschiedenen Anforderungen von Haushalts-, Erwerbsarbeit und Erziehung unter einen Hut gebracht werden können. Eine bekannte Forderung hierzu ist ja der Bau von Telearbeitszentren, in denen versucht wird, einen gemeinsamen Kontext für diese drei Lebensbereiche herzustellen.

Für die telematische Kommunikation in anderen Lebensbereichen müssen die Kontexte erst geschaffen werden: wir brauchen hier nicht mehr Geschwindigkeit nach dem Motto "Zwar wissen wir nicht wohin, doch sind wir scheller am Ziel", sondern neue Orte des Verweilens. Digitale Städte sind vielleicht deshalb ein erfolgreiches Konzept, weil sie über die Siedlungsmetapher Kontexte herstellen, einen Bezug zur eigenen Lebenswelt medial vermitteln, dem Ort wo man zuhause und betroffen ist. Dieser Anwendungsbereich ist auch für Audiotexdienste vielversprechend.

Ich hoffe ich konnte mit diesen drei Beispielen zum context-making verdeutlichen, daß neue Technologien nicht per se ihre Nutzung bestimmen, sondern eine Vielzahl von Faktoren die Technik erst zu einer Anwendung machen.

Elektronische Demokratie ?

Wie kann Telekommunikation nutzbar gemacht werden für eine Erneuerung demokratischer Umgangsformen? Wie sehen ideale Voraussetzungen aus, daß die Telekommunikation einen Beitrag zu mehr Transparenz in der Verwaltung und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten führen kann? Welche kulturellen Kontexte sind zu beachten oder müssen angepaßt werden? Wie ist politische Beteiligung per Telekommunikation möglich? Welche Gestaltungsvorgaben gibt es für die Technik? Wie geht die Kommunalpolitik mit einer solchen Technologie um?

Die unzulängliche Vermittlungsfähigkeit herkömmlicher Medien des politisch-administrativen Systems insbesonders für artikulationsschwache Bevölkerungsschichten ließ in den 80er Jahren hohe Erwartungen an neue Medien entstehen: Wenn es die Lokalpresse nicht schafft, etwa die Planungsvorhaben einerseits und die Reaktionen der Bürger andererseits zu transportieren, so könnten vielleicht lokale Radio- und Videoinitiativen Themen aufbringen und Meinungen darstellen und so Entscheidungsprozesse auf die eine oder andere Art moderieren.

Doch die Ergebnisse sind ernüchternd: Bisherige Analysen zeigen eine schicht-, geschlechts- und altersspezifische Beteiligung an Bürgerbeteiligungsverfahren. Es liegt die Vermutung nahe, daß dies auch für die Beteiligung an bürgernahen Medien gilt. Bevölkerungsgruppen mit folgenden Merkmalen beteiligen sich überdurchschnittlich häufig: Personen mit einem höheren Bildungsabschluß, einem höheren Einkommen, großem Freizeitbudget (junge Menschen in der Ausbildung), Interesse an der Medientechnik und Personen mit technischen Fertigkeiten und Kompetenzen. Je höher der Aufwand an Zeit, Wissen und finanziellen Mittel, desto mehr dürfte die Beteiligung entsprechend der partizipativen Rahmenbedingungen verlaufen. Setzt die Mitwirkung an der Themenauswahl noch einen geringen zeitlichen Aufwand voraus, sind Engagement und die Bereitschaft zu kostenloser Arbeitsleistung vielfach notwendige Voraussetzungen für die Produktion und somit das Bestehen lokaler Kommunikationsmedien. Sowohl für die Beteiligung an der Programmproduktion, als auch für die leitenden Funktionen gilt, daß sich der Kreis der Beteiligten mit den oben aufgezählten Merkmalen im "harten Kern" aller Beteiligten verdichtet.

Um den Zugang artikulationsschwacher Gruppen zu erleichtern, werden bei Bürgerbeteiligungsverfahren "Mediatoren" eingesetzt. Auch in einem Bürgerbüro des Stadterweiterungsgebiet Wien - Aspern, in dem der Feldversuch mit einem Audiotexdienst durchgeführt worden ist, traten diese als Übersetzer und Vermittler auf. Für Offene Kanäle in Deutschland wurde diskutiert, Kommunikationshelfer einzusetzen, um den Zugang und die Nutzung neuer Medien zu erleichtern.

Der Aufwand für die Artikulation lokaler Anliegen über Printmedien, Lokalradio, Offenen Kanal oder eine Kassettenzeitung bleibt nicht zuletzt aufgrund hoher Gestaltungsansprüche hoch, wird doch die Qualität an den "großen Schwestern", einer Landeszeitung, dem Landesrundfunk oder dem kommerziellen Fernsehen gemessen. Telematische Medien hingegen vermitteln eine gänzlich neue Qualität, die noch wenig geprägt ist von hochprofessionellem Vorgehen. Dies hat mitunter damit zu tun, daß telematische Medien noch kaum für Werbezwecke eingesetzt werden, und dadurch eine "Politur", die künstlich Aufmerksamkeit erzeugt, ohne auf die Qualität der Inhalte Rücksicht zu nehmen, ausgeblieben ist, aber mit dem Erfolg des World Wide Web nicht länger aufgehalten werden kann. Die Direktheit und Unmittelbarkeit des Mediums gestattet es, ohne hohen Gestaltungsaufwand sowohl gut recherchierte Beiträge, aber auch ad hoc Statements, Kommentare und Bewertungen orts- und zeitunabhängig einzuspielen. Für eine aktive Teilnahme sind ein relativ geringes Zeitbudget, geringe finanzielle Mittel (Telefonkosten, Zugang zu einem entsprechenden Endgerät, also Computer/Modem/Telefonanschluß oder ein Telefon [vorzugsweise mit Tasten] für den Zugang zu einer Sprachbox) und mitunter einige technische Fertigkeiten bei der Bedienung eines Online - Dienstes oder eines Audiotexsystems notwendig.

Mit Audiotex das Telefonieren neu erfinden

Mit Audiotexsystemen können ähnliche Kommunikationsstrukturen wie im Internet aufgebaut werden, jedoch mit Sprache und Ton anstatt Schrift als Trägermedium. Im einfachsten Fall sind sie einzusetzen wie ein Tonbandservice und ein Anrufbeantworter: Texte können abgehört, Botschaften aufgesprochen werden. Den Anwendern stehen aber üblicherweise eine Reihe von Steuer- und Navigationsmöglichkeiten zur Verfügung, mit deren Hilfe sie sich im System "bewegen" können. Als "Eingabegeräte" dienen die Telefontasten bzw. das Mikrofon im Telefonhörer bei Sprachsteuerung.

Auf diese Weise können nicht nur Informationsteile, sondern auch Diskussionsforen, also akustische "schwarze Bretter" erstellt werden. Beiträge können abgehört oder selbst aufgesprochen werden. Weniger interessante Botschaften können mithilfe der Tasten abgebrochen oder übersprungen werden. Akustisch präsentierte Menüs ermöglichen es, zwischen den Themenbereichen ("Brettern") oder den verschiedenen Funktionen des Systems zu wählen. Manche Audiotexsysteme erlauben es, daß Faxseiten gespeichert und wieder abgerufen werden. Auf ihnen können Zusatzinformationen, Graphiken oder weitere Orientierungshilfen angeboten werden. "Durchwahlnummern" erlauben schon bei der Einwahl in das Sytem den zielgenauen Zugriff auf einen bestimmten Informationsbereich.

Die Zielsetzung des Feldversuches"Grätzltelefon" war es, einen Telefonservice einzurichten, der es jedem Anrufer ermöglicht, lokalspezifische Informationen auszuwählen, diese akustisch oder per Fax abzurufen oder einen Diskussionsbeitrag abzusetzen. In lose gekoppelter Zusammenarbeit mit einem Softwareentwicklungsteam und Medienspezialisten entstand ein Werkzeug, mit dem die Einrichtung auch komplexer Funktionsabläufe für einen Telefonservice auf mehreren Leitungen mit einfacher Bedienbarkeit realisiert werden konnte. Insofern gab es seitens der technischen Machbarkeit vorab keine Einschränkungen bzw. konnten spezielle Wünsche, wie etwa ein Mechanismus zur Bewertung von Beiträgen durch die Anrufenden, rasch auch einer technischen Lösung zugeführt werden.

Für einen Feldversuch wurde ein organisatorisches Umfeld geschaffen, das es erlaubte, erstmals ein Sprachboxsystem auf seine Eignung und Akzeptanz hin bei der Bürgerkommunikation in einem lokalen Planungsverfahren zu testen. Das "Grätzltelefon für den Raum Aspern" sollte nicht nur die etwa 50.000 Bewohner des Marchegger Ast am Nordostrand Wiens über Bautätigkeiten informieren, sondern auch die Möglichkeit des Mitredens und Mitplanens bieten. Während des viermonatigen Feldversuches wurden knapp 2.000 Anrufe verzeichnet, wobei etwa 40 Stellungnahmen in einem öffentlichen Telefonforum aufgezeichnet wurden, die wiederum bis zu 200 mal von anderen Anrufern abgehört worden waren. Die für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Abteilung der Stadtplanung zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden.

Der Feldversuch zeigte, daß ein hoher Werbeaufwand notwendig ist, um die Existenz und die Möglichkeiten eines solchen Mediums gegenüber der Bevölkerung darzustellen. Trotz der Einbindung des Feldversuches in ein laufendes Bürgerbeteiligungsprojekt wurde weiters klar, daß bessere und verbindlichere Verfahren gefunden werden müssen, die eine Koppelung des realpolitischen mit dem virtuellen Diskurssystem gestatten. Aufgrund der wenig ausgeprägten Kultur der direkten politischen Mitbestimmung in Österreich müßte freilich die Politik diesbezügliche Zugeständnisse machen, wobei die Telekommunikationstechnologie als Katalysator wirken könnte. Wenn es nicht gelingt, die Politik miteinzubeziehen, also telematische Mitbestimmungsmöglichkeiten nur vorgetäuscht werden, absorbieren telematische Medien politisches Engagement und verstärken die Ohnmacht vor der Politik.

Aufgrund der ermutigenden Ergebnisse des Feldversuches wurde eine Erweiterung des Sprachboxdienstes bei vorhandener Bereitschaft seitens der Politik, sich aktiv in diesen Medien zu beteiligen, angestrebt. Darüberhinaus erschien den befragten Experten die Bereitstellung von Sprachboxdiensten als Alternative zu Anruferzählungen oder in der Zeit vor Volksabstimmungen als demokratiepolitisch besonders wertvoll, da so die Wähler Argumente per Telefon anhören, aber auch selbst welche aufsprechen könnten und der themenbezogene Diskurs zeit- und ortsunabhängig verstärkt werden würde. Zur verbesserten Strukturierung des Diskurs in Sprachboxsystemen wurde vom Projektteam ein Bewertungssystem ausgearbeitet, mit dem ein Anrufer, der ein Statement abgibt, Punkte erhält und weitergeben kann, womit ein dynamisches Meinungsbild und eine Orientierungshilfe entsteht.

Digitale Stadt im Medienmix

Die Bidirektionalität telematischer Medien, also das Wegfallen des Unterschieds zwischen Sender und Empfänger, hat zu euphorischen Einschätzungen der Möglichkeiten geführt. Wir sind heute, nach rund einem Jahrzehnt der Erfahrungen mit bürgernahen elektronischen Medien in der Lage, Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes der Telematik etwas realistischer beurteilen zu können. Vor allem können die bisherigen Erfahrungen zu Empfehlungen für optimierte Gestaltung und Einsatzbereiche künftiger Systeme führen. Audiotexsysteme stellen eine sinnvolle Ergänzung zum "Internet-Hype" dar, um weitere Bevölkerungsschichten an den neuen Möglichkeiten interaktiver Kommunikation zu beteiligen.

Der Feldversuch "Grätzltelefon" hatte den Effekt, daß sich der zuständige Stadtrat in Wien eine Digitale Stadt nicht nur als Internet-Dienst wünschte, sondern dazu auch einen Telefondienst haben wollte. Im Dezember 1995 konnte "wien.at" zusammen mit "wien@telefon" eröffnet werden. Insbesonders können Städte mit einer noch geringen Verbreitung von Internet-Anschlüssen so wesentlich früher und auf breiterer Basis "community networks" betreiben. Wer bei wien@telefon hineinhören möchte, wählt einfach (+43 1) 58930.

Literatur

Alton-Scheidl, Roland (1993): Online- und Sprachbox-Dienste als Massenmedien. Effekte und Diffusionsfaktoren zweier Technologien im empirischen Vergleich.. In: Angelika Volst (Hrsg.), Information und Macht - Preceedings zum 13. Österreichischem Soziologenkongreß in Klagenfurt. Reihe Soziologie 1993. S. 39-52. IHS: Wien.

Baudrilard, Jean (1978): Politik und Simulation. In Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen. Merve: Berlin.

Canzler, Weert; Helmers, Sabine; Hoffmann, Ute (1995): Die "Datenautobahn" - Sinn und Unsinn einer populären Metapher. Forum Wissenschaft März 1995, S. 10-15.

Latzer, Michael; Thomas, Graham (eds.) (1994): Cash Lines. The Development and Regulation of Audiotex in Europe

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