Über Geld spricht man nicht. Nicht jedoch Bernard Lietaer, der wichtige Positionen im Geld- und Finanzwesen innehatte und für die Einführung des ECU, aus dem der Euro hervorging, mitverantwortlich war. In seinem Buch „Mysterium Geld“ nähert er sich den emotionalen Aspekten unseres täglichen Tauschmittels. Die fünf Archetypen des Menschen bilden ein von C.G. Jung abgeleitetes Erklärungsmodell und Yin- und Yang sind die Pole, entlang derer sich zehn Schatten entwickeln. Daraus leitet er zwei Währungsmodelle ab: lokale Yin-Währungen, die Investitionen mit langfristiger Perspektive fördern und dadurch Wohlstand für die breite Bevölkerung schaffen sowie überregionale Yang-Währungen, die Gier und Machterhaltung stützen. Lietaer beschreibt zwei historische Beispiele, in denen durch Yin-Währungen die Ehrung des Weiblichen und des Archetyps des Ernährers gefördert worden ist: die Kultur des alten Ägypten von etwa 2000 bis 300 v. Chr. und das europäische Hochmittelalter vom 10. bis zum 13. Jahrhundert. In beiden Kulturen waren Yin – Währungen vorherrschend, welche mit einer Demurrage – Gebühr behaftet waren: Statt mit Zinsen war das Tauschmittel mit einer Nutzungsgebühr versehen, womit es sich nicht zur Hortung eignete. Die mittelalterliche „Renovatio Monetae“ sah einen Austausch der Geldmittel alle fünf bis sechs Jahre mit einer Wertminderung vor, die einerseits der Nutzungsgebühr entsprach, andererseits aber auch von Herrschern zur Einbehaltung von Steuern missbraucht worden ist.
Das heutige Geldsystem fördert Akkumulation und verhält sich trotz aller Börsenregulierungen irrational: Boom- und Bust – Zyklen auf dem Finanzmarkt waren und sind weiterhin Gefahren für die Volkswirtschaften. Für das nachhaltige Funktionieren einer Gesellschaft ist ein Gleichgewicht zwischen der Yin- und Yang - Wirtschaft unverzichtbar. Lietaer bezeichnet diese als „integrierte Wirtschaft“, die einerseits Sachkapital wettbewerbsfördernd und mit Knappheit über globale Währungen organisiert und andererseits natürliches Kapital, welches ausreichend vorhanden ist, gemeinschaftsfördernd organisiert. Bei der Yang-Währung basiert die Geldschöpfung auf Hierarchie, die das Horten fördert und ein Konkurrenzdenken hervorruft; bei der Yin-Währung basiert die Geldschöpfung auf Gleichstellung und fördert die Zusammenarbeit der Beteiligten. Damit werden neue Wirtschaftskreisläufe aktiviert, die insbesondere auch jene einbezieht, die über Arbeitskraft und Ressourcen verfügen, welche in der Yang-Wirtschaft nicht zur Geltung kommen.
Das Entstehen lokaler Komplementärwährungen ist weder eine Kuriosität noch eine vorübergehende Modeerscheinung, sondern bindet neue Ressourcen auf einer gemeinschaftlichen Ebene und bildet somit ein Werkzeug zur Verhinderung kollektiver Zusammenbrüche. Diese Entwicklungen verdienen daher Beachtung, Unterstützung und weiterer wissenschaftlicher Begleitung.
Bernard A. Lietaer: Mysterium Geld. Emotionale Bedeutung und Wirkunsweise eines Tabus. Riemann Verlag, München, 2000.
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Drei Tabus prägen westliche Gesellschaften: Tod, Sex und Geld. In letzterem sind archetypische Muster verborgen, die wesentlich unser habgieriges Verhalten prägen. Wenn neben Euro und Dollar heute zahlreiche Komplementärwährungen existieren, entsteht dadurch regionale Wertschöpfung, die Gemeinschaft und lokalen Reichtum fördert.